Analytisches Strömungsmodell

Für homogene Verhältnisse können die Grundwasserhöhen mit kontinuierlichen Lösungen berechnet werden, die hier mit einem Isolinien-Programm als Grundwassergleichen dargestellt werden.

Die Lösung basiert im wesentlichen auf der Theis-Funktion: Der Aquifer ist gespannt oder ungespannt und die Parameter (Durchlässigkeit, Mächtigkeit, Speicherkoeffizient) sind konstant. Aufgrund des analytischen Ansatzes handelt es sich damit um ein analytisches Strömungsmodell.

Die Ortskoordinaten des Modells werden auf ein zweidimensionales kartesisches Koordinatensystem bezogen. Die Grundwasserhöhen werden für diskrete Stützstellen berechnet. Diese Stützstellen sind Knoten eines rechteckigen Gitternetzes mit dem Doppelindex i, j. In Abb. 1 ist ein Gitternetz mit 20 ⨯ 10 Knoten dargestellt. Für die Knoten (i, j) werden die Grundwasserhöhen hi,j berechnet, anhand derer anschließend die Grundwassergleichen interpoliert werden.

Abb. 1: Berechnung der Grundwasserhöhen für die Knoten eines Gitternetzes.

Abb. 2: Entnahmetrichter (konstanter Gradient + Absenkungstrichter).

Berücksichtigung eines regionalen Gradienten

Die Grundwasserhöhe hi,j wird hier von der Aquifersohle gerechnet. Sie ist damit gleich der durchflossenen Aquifermächtigkeit M. Für einen Gradienten in x-Richtung berechnet sich die Grundwasserhöhe wie folgt (Abb. 2):

h ( i , j ) = M + ( i max i min 2 i ) Gitterweite I

Bei einem ungespannten Aquifer ändern sich die durchflossenen Mächtigkeiten. Diese Abweichungen sind sehr gering und werden hier vernachlässigt.

Durch die Vorgabe eines Gradienten werden auch die Grundwassermengen festgelegt, die am linken und rechten Modellrand ein- oder ausströmen:

Q = k f I A

wobei A das Produkt aus Mächtigkeit und Breite (hier: Länge der y-Achse) ist.

Berechnung des Absenkungstrichters

Mit der Theis-Funktion wird für einen gespannten Aquifer die Absenkung berechnet, also die Differenz zwischen vorgegebener und abgesenkter Grundwasserhöhe). Das Integral wird durch ein Polynom approximiert:

s ( r , t ) = Q 4 πT u   e x x dx mit  u = r 2 S 4 tT

Für ungespannte Aquifere werden die durchflossenen Mächtigkeiten korrigiert:

s ' = M M 2 2 M s

Die Polarkoordinate r ist der Abstand zwischen einem Brunnen (xB, yB) und einer Stützstelle (x, y).:

r = ( x x B ) 2 + ( y y B ) 2

Durch Anwendung des Superpositionsprinzips können mehrere Brunnen berücksichtigt werden:

h ( x , y ) = H ( x , y ) i = 1 n s i ( x , y )

Die Absenkung wird für die Zeit t berechnet, die in der Regel einen instationären Zustand wiedergibt. Nur wenn die Summe der Zu- und Abflüsse gleich Null ist, wird ab einer bestimmten Zeit der stationäre Zustand erreicht.

Der Absenkungstrichter ist radialsymmetrisch. Auch unter Berücksichtigung einer geneigten Grundwasseroberfläche vor Pumpbeginn ist der Absenkungstrichter in Näherung radialsymmetrisch (Abb. 2, Mitte).

Entnahmetrichter

Der Entnahmetrichter ergibt sich aus der Überlagerung eines Gradienten (ohne Entnahme) und eines Absenkungstrichters (Abb. 2, unten). Im Unterstrom des Brunnens reicht der Entnahmetrichter bis zum Staupunkt, wo der Gradient Null ist. Der Gradient des Absenkungtrichters ist dort genauso groß wie der unbeeinflusste regionale Gradient.

Die laterale Begrenzung des Entnahmetrichters verläuft entlang der Trennstromlinien. Bezüglich des Stofftransportes ist zu beachten, dass dispersive Prozesse diese Grenze verwischen und ein Partikel auch jenseits der Trennstromlinie dem Brunnen zuströmen kann.

Anhand der Entnahmerate wird die maximale Breite B des Einzugsgebietes zwischen den Trennstromlinien berechnet.

Q = k f I A = k f I M B       B = Q k f I M

Die oberstromige Begrenzung des Einzuggebietes ist durch die Grundwasserneubildung vorgegeben, wobei die Fläche A der Quotient aus Entnahmemenge  Q und Neubildungsrate GN ist:

A = Q G N

Bahnlinien

Eine wichtige Interpretationshilfe ist die Darstellung von Bahnlinien. Dazu wird der konvektive Anteil des Stofftransportes berechnet:

v = k f I n e = k f n e Δh Δl = k f n e Δh Δx 2 + Δy 2

Der dispersive Anteil und weitere Transportprozesse werden vernachlässigt. Ausgehend von einem Startwert für eine x- und y-Koordinate wird sukzessiv die Richtung des steilsten Gradienten verfolgt, wobei die Fließrichtung in eine Δx- und Δy-Komponente zerlegt wird.

Abb. 3: Berechnung der Bahnlinien; links: Interpolation anhand der Grundwasserhöhen; rechts: Bilanzierung der durchströmenden Grundwassermengen, QE = QA

Anhand der Grundwasserhöhen der nächsten vier Stützstellen kann Δx und Δy interpoliert werden (Abb. 3, links):

Δx = a 2 h i , j + a 1 h i + 1, j a 1 h i , j + 1 a 2 h i + 1 , j + 1 Δy = b 2 h i , j b 1 h i + 1, j + b 1 h i , j + 1 b 2 h i + 1 , j + 1

Ein verbessertes Verfahren bilanziert die ein- und ausströmenden Grundwassermengen QE und QA einer Gitterzelle (Abb. 3, rechts), wobei

Q E = Q A

gesetzt wird. Durch Addition der diskreten Fließwege und Fließgeschwindig­keiten wird die konvektive Fließzeit t quantifiziert:

t = Δl Δv

 

Beispiel 1: Grundwasseabsenkung

Es gelten dieselben Ausgangsdaten wie im Kapitel „Grundwasserabsenkung in einer Baugrube“. In diesem Kapitel wird anhand der Modellfunktion nach Dupuit-Thiem für eine Neubildungsrate von 300 mm/a eine Reichweite von R = 2.540 m und eine Entnahmeraten Qi = 0,096 m3/s berechnet. Es wird ein für diese Werte einen Grundwassergleichenplan erstellt.

Gegenben:S=0,075 (ungespannter Aquifer)
kf=1·10-3 m/s
I=0
hsoll=20 m
H=26 m
Qi=0,096 m3
Gesucht:Grundwassergleichenplan

In Abb. 4 sind die Grundwassergleichen für die Grundwasserabsenkung dargestellt. Dabei handelt es sich um einen instationären Zustand zur Zeit t. Die Zeit wurde so gewählt, dass an den äußeren Ecken die Grundwasserhöhe genau 20 m beträgt, so dass die Baugrube gerade trocken ist.

Abb. 4: Gundwassergleichen bei einer Grundwasserabsenkung.

Durch den Einsatz von mehreren Brunnen könnte die erforderliche Gesamt­entnahmerate minimiert werden.

 

Beispiel 2: Sanierungsinsel

Ein Bereich von 20 ⨯ 20 m ist kontaminiert und soll durch hydraulische Maßnahmen gesichert werden. Dazu wird unterstromig des Schadensfalls das Grundwasser entnommen und oberstromig wieder eingeleitet, so dass ein geschlossener Kreislauf entsteht.

Ab welcher Entnahmerate ist der Schadensfall hydraulisch gesichert. Wieviel Stunden dauert es, bis sich eine stationäre Strömung einstellt.

Gegenben:S=1·103 (gespannter Aquifer)
kf=1·10-3 m/s
M=10 m
I=0,01
Gesucht:tstat
Qi
Grundwassergleichenplan

In Abb. 5 sind die Grundwassergleichen für die Sanierungsinsel dargestellt, für den eine Entnahme- und Eingaberate von 6 ℓ/s vorgegeben wird.

Abb. 5: Sanierungsinsel. Die Kreislaufströmung umfasst den Schadensherd, wobei ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten wird.

Es werden auch die Bahnlinien dargestellt. Anhand der Bahnlinien ist zu sehen, dass die Kreislaufströmung eine Breite von 35 m erfasst. Im Vergleich zum Ausgangs-Gradient von 0,01 ist der Gradient innerhalb der Kreislaufströmung ungefähr um den Faktor 2 steiler. Unter Annahme dieses Gradienten von 0,02 kann für die Entnahmerate von 6 ℓ/s die Breite der Kreislaufströmung abgeschätzt werden:

B = Q k f I M = 6 10 3 1 10 3 0,02 10 = 30  m

Der stationäre Zustand stellt sich schon nach 10 Minuten ein. In vergleichenden Rechnungen für einen ungespannten Aquifer (S = 0,15) stellt sich der stationäre Zustand erst nach rund 12 Stunden ein.