Hochwasserwelle

Im Bereich eines Vorfluters werden die Grundwasserhöhen maßgeblich durch die Vorfluthöhen bestimmt. Wechselnde Vorfluthöhen übertragen sich mit abnehmender Amplitude und zeitlicher Verzögerung auf das Grundwasser. Es werden zwei Lösungsverfahren erläutert, die auf der Grundgleichung der eindimensionalen instationären Grundwasserströmung basieren.

2 h x 2 = S T h t

Die zeitliche und räumliche Änderung der Grundwasserhöhen ist durch den Parameter S/T vorgegeben. Die Ganglinien können wie ein Pumpversuch ausgewertet werden (inverse Fragstellung), aber es kann nur das Verhältnis S zu T  berechnet werden. Um T zu ermitteln, muss S bekannt sein oder abgeschätzt werden.

Um den Speicherkoeffizient S quantifizieren zu können, muss neben den instationären Grundwasserhöhen auch der Grundwasserfluss bekannt sein. Somit kann der Speicherkoeffizient nur bei instationären Verhältnissen ermittelt werden, wie das beispielsweise bei einem Pumpversuch der Fall ist.

Sinus-Funktion

Eine Hochwasserwelle kann in Näherung durch eine Sinus-Funkion beschrieben werden. Die ideale Anwendung wäre der Tidenbereich. Aber auch (periodisch) schwankende Vorfluthöhen weisen sinoidale Ganglinien auf. Die Lösung für die räumliche und zeitliche Ausbreitung der Schwingung lautet:

h ( x , t ) = h o e βx cos ( ωt βx ) β = ω 2 S T  ,  ω = 2 p t
h, h0:Grundwasserhöhe über stationäre bzw. mittlere Grundwasserhöhe.

Es wird hier der Cosinus verwendet, damit die Zeit t vom Maximum der Amplitude gerechnet wird.

Es ist zu sehen, dass der Quotient S/T gleichermaßen sowohl die Abnahme der Amplitude als auch die Phasenverschiebung bestimmt.

Um S/T zu ermitteln, werden die Ganglinien von zwei Messstellen h1(t1) und h2(t2) benötigt, wobei die erste Messstelle näher am Vorfluter steht. Prinzipiell kann auch die Ganglinie des Vorfluters verwendet werden. Der Abstand der Messstellen ist Δx. Für die Amplitude einer Hochwasserwelle werden folgende Werte abgelesen (Abb. 1):

Differenz der Amplituden: Δh = h 2 h 1
Zeitliche Verzögerung: Δt = t 2 t 1

Abb. 1: Ablesen von Δh und Δt.

Gegebenenfalls kann τ, die Dauer einer Periode, in die Rechnung mit einbezogen werden. Es wird jedoch empfohlen, T nur anhand von Δh und Δt zu bestimmen, da diese Differenzen im Vergleich zu τ genau abgelesen werden können. Die Transmissivität wird dann folgenderweise berechnet, wobei S als bekannt vorausgesetzt wird.

T ( τ , h ) = π τ ( Δx ln  h 1 h 2 ) 2 S T ( τ , t ) = τ 4 π Δx 2 Δt 2 S T ( Δh , t ) = Δx 2 2 Δt 1 ln  h 1 h 2 S

Stehen mehrere Messstellen auf einem Profil quer zum Vorfluter zu Verfügung, dann kann auf diese Weise die Transmissivität abschnittsweise bestimmt werden.

Um die Reichweite R zu bestimmen, muss eine maximale Schwankungshöhe festgelegt werden, die hier als hsoll  bezeichnet wird, z.B. hsoll ≤ 1 cm. Für hsoll=0 wäre die Reichweite unendlich.

h soll = h o e βx R = - ln h soll h o τ π T S

 

Beispiel 1: Zeitliche Verzögerung einer Hochwasserwelle

Für das Rhein-Hochwasser vom Januar 1995 soll abgeschätzt werden, mit welcher zeitlichen Verzögerung das Grundwasser im Hinterland ansteigt. Es wird die Reichweite der Hochwasserwelle bestimmt. Die vorgegebenen Werte sind nur geschätzt.

Gegenben:S/T=1 s/m2
Δx=2 km
h0=5 m
τ=8 Tage
Gesucht:Δt
T ( τ , t ) = τ 4 π Δx 2 Δt 2 S     Δt = τ p Δx 2 S T = 6,9 10 5 π 2000 2 1 = 4,7 10 5   s = 5,4  Tage

Die Dauer der Periode τ einer „Hochwasser-Schwingung“ kann nur geschätzt werden. Da aber τ in der Wurzel steht, ist dieser Parameter nur wenig sinsitiv. Es wird deutlich, dass mit zunehmender Dauer des Hochwasserereignisses das Maximum des Grundwasseranstiegs später eintrifft.

Die Reichweite der Hochwasserwelle, ab der die Schwankungen weniger als 1 cm betragen, ist:

R = ln h soll h o τ π T S = ln 0,01 5 6,9 10 5 π 1 = 2.915  m

 

Beispiel 2: Auswertung einer Hochwasserwelle

In Plittersdorf bei Rastatt fand am 08.07.1994 ein kleines Hochwasserereignis statt, bei dem der Rhein kurzzeitig um rund 1,2 m anstieg. Der Durchgang wurde im Rhein und in drei Messstellen aufgezeichnet (Tab. 1). Es handelt sich um einen ungespannten Aquifer, so dass hier ein Speicherkoeffizient von rund S = 0,15 angenommen werden kann.

Es werden die Transmissivitäten abschnittsweise bestimmt, indem die Hochwasserwelle durch eine Sinus-Funktion approximiert wird (Rhein – Messstelle 1, Messstelle 1  – Messstelle 2, …).

Tab. 1: Grundwasserhöhen einer Hochwasserwelle im Bereich Plittersdorf bei Rastatt (aus Wildenhof 1995). Bereich des Maximums ist fett umrandet.

Grundwassermesstellen
Rhein123
Entfernung045290535
DatumUhrzeitGW-Höhe [m ü. NN]
07.07.199419:00111,185110,747110,736110,694
07.07.199420:00111,234110,755110,738110,693
07.07.199421:00111,264110,767110,740110,693
07.07.199422:00111,363110,777110,744110,694
07.07.199423:00111,515110,799110,749110,696
07.07.199424:00111,686110,831110,757110,698
08.07.19941:00111,832110,867110,768110,701
08.07.19942:00111,911110,900110,779110,705
08.07.19943:00111,927110,924110,791110,709
08.07.19944:00111,944110,947110,802110,714
08.07.19945:00111,929110,965110,813110,718
08.07.19946:00111,873110,973110,821110,722
08.07.19947:00111,712110,967110,827110,725
08.07.19948:00111,550110,950110,830110,728
08.07.19949:00111,492110,937110,831110,730
08.07.199410:00111,459110,930110,831110,731
08.07.199411:00111,374110,918110,832110,732
08.07.199412:00111,297110,903110,829110,732
08.07.199413:00111,245110,889110,827110,733
08.07.199414:00111,200110,877110,825110,733
08.07.199415:00111,181110,867110,821110,733
08.07.199416:00111,215110,863110,818110,732
08.07.199417:00111,281110,866110,817110,732
08.07.199418:00111,311110,870110,816110,732
08.07.199419:00111,305110,870110,816110,731
08.07.199420:00111,303110,871110,816110,732
08.07.199421:00111,308110,870110,815110,732
08.07.199422:00111,278110,868110,815110,732
08.07.199423:00111,227110,860110,814110,731
08.07.199424:00111,242110,857110,813110,731

Die Grundwasserhöhen aus Tab. 1 werden graphisch aufgetragen (Abb. 2). Es ist zu sehen, dass die Hochwasserwelle mit einer Sinus-Funktion approximiert werden kann. Die stationäre Grundwasserhöhe (von der Hochwasserwelle unbeeinflusst) wird mit 110,70 m geschätzt.

Abb. 2: Bestimmung von Δh, Δt und der stationären Grundwasserhöhe.

Die Grundwasserhöhe h – 110,70 m und die Differenzen Δh und Δt werden anhand der Ausgangsdaten (Tab. 1) ermittelt und sind in Tab. 2 zusammengefasst. Diese Werte aus Tab. 2 werden in die Gleichung eingesetzt. Damit ergeben sich für einen Speicherkoeffizienten von 0,15 folgende Transmissivitäten:

Tab. 2: Ausgangsdaten zur Berechnung der Transmissivitäten.

x [m]t [h]Δ [h]h [m]h - 110,70 [m]
Rhein00111,9441,244
Messstelle 1452,0t1 – t0 = 2,0110,9730,273
Messstelle 22906,5t2 – t1 = 4,5110,8320,132
Messstelle 353512,5t3 – t2 = 6,0110,7320,033
T 0,1 ( h , t )   = Δx 2 2 Δt 1 ln h 0 h 1 S   = 45 2 2 2,0 3600 1 ln ( 1,244 0,273 ) 0,15 = 0,014 m 2 s T 1,2 ( h , t )   = Δx 2 2 Δt 1 ln h 1 h 2 S   = 245 2 2 4,5 3600 1 ln ( 0,273 0,132 ) 0,15 = 0,380 m 2 s T 2,3 ( h , t )   = Δx 2 2 Δt 1 ln h 2 h 3 S   = 245 2 2 6,0 3600 1 ln ( 0,132 0,033 ) 0,15 = 0,150 m 2 s

Die Ergebnisse sind in Tab. 3 zusammengefasst. Zum Vergleich wurden die Ergebnisse, die anhand anderer Verfahren ermittelt wurden, mit aufgeführt.

Tab. 3: Berechnete Transmissivtäten.

BereichTransmissivität, T [m2s], für S=0,15
x [m]Beispiel 2num. Modell
RheinbisMessstelle 10 bis 450,0140,14 1)
Messstelle 1bisMessstelle 245 bis 2900,380,14
Messstelle 2bisMessstelle 3290 bis 5350,150,0042 2)
1)Zusätzlich wurde für die Kolmationsschicht des Rheins eine Transmissivität von T=2·10 -5 bis 2·10 -6 berücksichtigt.
2)Messstelle 3 ist in einer geringer durchlässigen Linse ausgebaut.