Randbedingung (Stallman 1962)

Bisher wurde angenommen, dass der Aquifer unendlich ausgedehnt ist. Der allgemei­nere Fall ist jedoch, dass die Grundwasserströmung durch ein Oberflächengewässer (positive Randbedingung) oder durch undurchlässigere Schichten (negative Randbedingung) lateral beeinflusst bzw. begrenzt wird.

In der numerischen Modellierung wird die positive Randbedingung als Randbedingung 1. Art (Vorgabe eines Festpotentials) bezeichnet und die negative Randbedingung als Randbedingung 2. Art (Vorgabe eines Zu- und Abflusses, der in diesem Fall gleich Null gesetzt wird).

Positive Randbedingung

Während mit der Modellfunktion nach Hantush der flächenhafte vertikale Zustrom aus einer Aquitarde (Leakage) beschrieben wird, wird mit der Modellfunktion nach Stallman der randliche Zustrom aus einem Oberflächengewässer berücksichtigt.

Es wird angenommen, dass keine Kolmation ausgebildet ist und das Oberflächengewässer in einem direkten hydraulischen Kontakt mit dem Grundwasser steht. (Abb. 1, links oben).

Mit der Grundwasserabsenkug bildet sich ein hydraulischer Gradient zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser aus. Es kommt zu einer Infiltration von Oberflächenwasser in den Aquifer, die der Absenkung entgegenwirkt.

Solange der Absenkungstrichter das Oberflächengewässer noch nicht erreicht hat, kann die Infiltrationsrate vernachlässigt werden, und der Aquifer verhält sich wie ein unendlich ausgedehnter Aquifer. Erst für späte Zeiten beeinflusst das Oberflächengewässer zunehmend die Absenkung. Ab einem bestimmten Zeitpunkt beträgt die Infiltrationsrate genauso viel wie die Entnahmerate aus dem Brunnen, so dass sich ein stationärer Strömungszustand einstellt.

Negative Randbedingung

Der gegenteilige Effekt wird durch eine laterale Begrenzung des Aquifers bewirkt. Sie wird beispielsweise durch ein Auskeilen des Aquifers verursacht oder durch eine diskordante Überlagerung. Sobald der Absenkungstrichter den Rand des Aquifers erreicht hat, senkt sich das Grundwasser schneller ab (Abb. 1, rechts oben).

Abb. 1: Hydraulisches Ersatzsystem zur Simulation einer positiven und negativen Randbedingung.

Hydraulisches Ersatzsystem

Der Einfluss einer positiven oder negativen Randbedingung wird mit einem hydraulischen Ersatzsystem simuliert. Dazu wird ein weiterer imaginärer Brunnen verwendet, der in der doppelten Entfernung 2r liegt. Das Oberflächengewässer wird durch einen imaginären Eingabebrunnen und eine laterale Begrenzung durch einen imaginären Förderbrunnen simuliert. Die Entnahme- oder Eingaberaten sind betragsmäßig gleich der Entnahmerate aus dem realen Brunnen (Abb. 1, Mitte).

Superposition mehrerer Brunnen

Die Absenkungsbeträge des realen Brunnens sr und die des imaginären Brunnens si werden nach dem Super­positions­prinzip addiert oder substra­hiert (Kapitel „Stufenpumpversuch und Wiederanstieg“). Dabei wird die Absenkung des imaginären Förderbrunnens positiv und die des ima­ginären Eingabebrunnens negativ gewertet:

s = s r ± s i
s:resultierende Absenkung
sr:Absenkung durch den realen Brunnen
+ si:Absenkung durch einen imaginären Förderbrunnen
− si:Anstieg durch einen imaginären Eingabebrunnen

Die Theis-Funktion lautet entsprechend der Superposition:

s ( r , t ) = Q 4 πT [ u r e x x dx ± u i e x x dx ] mit   u r = r r 2 S 4 tT und  u i = r i 2 S 4 tT
rr:Abstand zwischen Messstelle und realem Brunnen
ri:Abstand zwischen Messstelle und imaginärem Brunnen (Abb. 1, unten).

Mit der hinzugekommenen Variabel ri ergibt sich für die Rand­be­dingung P:

P = r i r r

Für die Berechnung der Randbedingungen wird kein unendlich ausgedehnter Aquifer mehr vorausgesetzt. Es wird allerdings ein realer und ein imaginärer Pumpversuch überlagert, für die jeweils ein unendlich ausgedehnter Aquifer angenommen wird.

Graphische Auswertung anhand von Typkurven

Für die Modellfunktion nach Stallman

Fortsetzung folgt …